Rückblick Kehl feiert

Viele Besucher und gute Stimmung bei Kehl feiert

Das Konzert von Jimmy´s Soul Attack zog viele Menschen aus der Umgebung in die Rheinstadt.

„Besser besucht denn je“ war Kehl feiert in diesem Jahr, bilanziert die Geschäftsführerin der Kehl Marketing, Fiona Härtel. Nachdem am Freitagnachmittag die Feierlichkeiten für das 30-jährige Bestehen der grenzüberschreitenden Einrichtungen im Mittelpunkt standen, erwartete die Besucherinnen und Besucher neben den Infoständen der grenzüberschreitenden Einrichtungen nach dem Fassanstich durch Oberbürgermeister Wolfram Britz am Abend sowie am kompletten Samstag ein vielseitiges Programm. Antje Lenz, bei der Kehl Marketing für Tourismus, Citymarketing und Veranstaltungen zuständig, berichtet, dass sämtliche Programmpunkte beim Publikum positives Echo fanden: „Unser Konzept hat sich bewährt.“ Am Ende waren sowohl die grenzüberschreitenden Einrichtungen als auch die Ausstellerinnen und Austeller zufrieden.

Vor den Augen zahlreicher Besucherinnen und Besucher konzertierten am Freitagabend die Formationen 4 gewinnt und Miles. Das Ensemble Les Rouzmarins eröffnete den musikalischen Reigen am Samstagvormittag mit einer Reise durch die Kultur der Ukraine und andererer slawischer Länder. Bevor am Nachmittag die Kehler Turnerschaft und der Twirling-Tanzsportvereine Choreografien zeigten, heizte die Kehler Band Trinkmann’s dem Publikum mit gecoverten Rocksongs ein. Anschließend läutete die ihrer Selbstbeschreibung zufolge „kleinste Bigband der Welt“, Simon und Simon, mit einem breiten musikalischen Repertoire das Abendprogramm ein. Das Abschlusskonzert der überregional bekannten Band Jimmy's Soul Attack gegen 21 Uhr verfolgten viele Konzertbesucherinnen und -besucher dicht gedrängt im Stehen, da sämtliche Sitzgelegenheiten belegt waren. „Es ist schön, dass Jimmy´s Soul Attack so viele Menschen auch aus der Umgebung nach Kehl gezogen hat“, sagt Fiona Härtel.

Sehr zufrieden mit der Resonanz bei den Besucherinnen und Besuchern auf dem Marktplatz waren auch die grenzüberschreitenden Einrichtungen, die in ihren Pavillons viele Informationen bereithielten, die den grenzüberschreitenden Alltag erleichtern. Einige Passanten kamen bei „Kehl feiert“ erstmals mit ihnen in Kontakt und konnten das breite Angebot kennen lernen.

Die Mitarbeitenden der Grenzgängerberatungsstelle INFOBEST Kehl-Strasbourg konnten ein paar Fragestellern direkt vor Ort weiterhelfen, mit anderen wurden Beratungstermine vereinbart. Sehr ähnlich lief es am Stand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz ab: Vor allem am Samstagnachmittag war den Andrang von Familien hier groß; die Meisten interessierten sich für Tourismusthemen wie Fluggastrechte oder Probleme mit gebuchten Urlaubsreisen. Auf Interesse stieß in diesem Zusammenhang und überhaupt das neue Projekt Justiz ohne Grenzen.

Am Pavillon des Euro-Instituts, das als Fortbildungseinrichtungen, sich weniger direkt an Bürgerinnen und Bürger wendet, wurde vor allem das Thema Gesundheit angesprochen: Die Broschüren darüber, unter welchen Bedingungen man sich im jeweiligen Nachbarland ärztlich behandeln lassen kann, stießen auf reges Interesse. Auch am Stand des Eurodistrikts waren die Mitarbeitenden des Generalsekretariats mit der Resonanz der Kehl-feiert-Besucherinnen und -Besucher zufrieden und nutzten die Gelegenheit, auf bevorstehende Veranstaltungen wie die Rad- und Genusstour am Sonntag, 17. September, aufmerksam zu machen.

In Kehl „schlägt das Herz dieser einzigartigen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“

Seit 30 Jahren können sich Einwohnerinnen und Einwohner im deutsch-französischen Lebensraum in Kehl informieren und beraten lassen: Dieses Jubiläum haben die Grenzgängerberatungsstelle INFOBEST Kehl-Strasbourg, das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz und die Fortbildungseinrichtung Euro-Institut zusammen mit dem noch nicht ganz so alten Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau am Freitag (8. September) auf dem Marktplatz mit zahlreichen Gästen gefeiert. „Die Feier verdeutlicht perfekt den deutsch-französischen Geist der Stadt Kehl, denn hier schlägt das Herz dieser einzigartigen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“, sagte Heike Thiele, die als deutsche Botschafterin am Europarat und neue deutsche Generalkonsulin der Région Grand-Est im Namen der Bundesrepublik gratulierte. Dass es aber immer noch – und sogar mehr denn je – Beratungsbedarf gibt, zeigten die Fragen aus den Reihen der Festbesucherinnen und Besucher.

die genannten Personen an Stehtischen auf der Bühne
Jeanne Barseghian, Vizepräsidentin des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau, Josha Frey, Präsident des Euro-Instituts, Catherine Graef-Eckert, Präsidentin von INFOBEST Kehl-Strasbourg und Vincent Thiébaut, Präsident des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, sprachen auf der Marktplatzbühne über die Herausforderungen grenzüberschreitender Zusammenarbeit.

Nimmt man alle grenzüberschreitenden Einrichtungen in Kehl zusammen, „arbeiten etwa 350 Menschen an verschiedenen Orten im Dienste der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich“, betonte Heike Thiele. Die Menschen in den Grenzregionen erlebten das Zusammenwachsen Europas jeden Tag: Im Dreiländereck Frankreich-Deutschland-Schweiz überquerten täglich 100 000 Menschen eine Grenze auf dem Weg zur Arbeit und noch einmal so viele zur Freizeitgestaltung und um Sport zu treiben. „Von den Millionen von Touristen hier in der Großregion ganz abgesehen“, sagte die Diplomatin.

die Botschafterin am Rednerpult
Generalkonsulin für die Region Grand Est und deutsche Botschafterin am Europarat in Straßburg, Heike Thiele, überbrachte die Glückwünsche der Bundesrepublik zum 30-jährigen Bestehen der grenzüberschreitenden Einrichtungen.
der Generalkonsul am Rednerpult
Der französische Generalkonsul in Stuttgart, Gaël de Maisonneuve, betonte die Bedeutung der Weiterentwicklung von Zweisprachigkeit und grenzüberschreitender Berufsausbildung.

Dass sich das Auswärtige Amt und das französische Außenministerium entschieden hätten, das Sekretariat des deutsch-französischen Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (AGZ) in der Kehler Rehfusvilla anzusiedeln, „unterstreicht die Strahlkraft der Stadt als Zentrum für eben diese enge Zusammenarbeit mit Frankreich“. Maßgeblicher Grund für diese Entscheidung sei die Expertise gewesen, die hier mit den grenzüberschreitenden Einrichtungen, aber auch der Hochschule Kehl vertreten sei. Hinzu komme die Nähe zur Universität Straßburg und zur dortigen Verwaltungshochschule Institut national du service public (INSP, ehemals ENA) sowie den europäischen Institutionen. Der AGZ ergänze diese Institutionen und suche dort neue Lösungsansätze, wo die Zusammenarbeit der Regierungen sowie der regionalen und lokalen Akteure notwendig sei.

Dass es hier noch genug zu tun gibt, zeigte die Gesprächsrunde auf der Marktplatzbühne mit den Präsidenten und Präsidentinnen der grenzüberschreitenden Einrichtungen: Die Abschaffung des Französischunterrichts in den baden-württembergischen Grundschulen sei eine schlechte Entscheidung gewesen, kritisierte Landrat Frank Scherer in seiner Eigenschaft als Präsident des Eurodistrikts, dieser versuche hier mit dem Projekt Spiel & Parle, das Kindern in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen ein Sprachbad ermögliche, etwas entgegenzusetzen. Zuvor hatte der französische Generalkonsul von Stuttgart, Gaël de Maisonneuve, auf die Bedeutung der Förderung von Zweisprachigkeit und darauf aufbauend gemeinsamer Berufsausbildung gesprochen.

Probleme bereitet im rheinüberschreitenden Lebensraum auch der Umstand, dass seit der Corona-Pandemie zahlreiche Gesetze sehr schnell beschlossen werden, ohne dabei die Auswirkungen in den Grenzregionen zu beachten. Dadurch und weil grenzüberschreitende Lebensentwürfe von Familien immer komplexer werden, ist der Beratungsbedarf bei Grenzpendlern in den vergangenen Jahren immer weitergewachsen, wie INFOBEST-Präsidentin Catherine Graef-Eckert berichten konnte: Mehr als 6000 Anfragen werden hier pro Jahr bearbeitet. Dass man vom Nachbarn auch lernen könne, dafür hätte Vincent Thiébaut als Präsident des ZEV gleich mehrere Beispiele nennen können: Eines davon sei die französische Elementarschadenversicherung, sagte er, gerade im Hinblick auf die zunehmende Zahl und Schwere von Naturkatastrophen in Europa.

Weil es bei der Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit und unter den Behörden auf beiden Rheinseiten noch Verbesserungsbedarf gibt, sieht auch Josha Frey, Präsident des Euro-Instituts, dieser Einrichtung die Aufgaben nicht ausgehen. Man setze hier große Hoffnungen in das beim Euro-Institut angesiedelte Projekt Trisan, das sich seit Jahren mit Untersuchungen der Gesundheitssysteme im Dreiländereck befasst. Er betonte die klare Abgrenzung der Aufgabenbereiche der unterschiedlichen grenzüberschreitenden Einrichtungen, die gleichzeitig Synergieeffekte nutzten. Für Frank Scherer war dies das Stichwort, seinen Wunsch von einem Haus für alle grenzüberschreitenden Einrichtungen – „mit einem Empfang“ – zum Ausdruck zu bringen. Einen Ausblick auf ihre voraussichtlich im Dezember beginnende Präsidentschaft des Eurodistrikts, gab Vizepräsidentin und Straßburger Oberbürgermeisterin, Jeanne Barseghian: Sie möchte die vier Kernthemen Mobilität, Kultur, Zweisprachigkeit und Umwelt weiterentwickeln.

die genannten Personen an Stehtischen auf der Bühne
Georg Walter, Direktor des Euro-Instituts, Christian Tiriou, Direktor des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, Anika Klaffke, Generalsekretärin des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau und Michael Großer, deutscher Referent der INFOBEST Kehl-Strasbourg antworteten auf Fragen aus dem Publikum zu grenzüberschreitenden Themen.

Fragen aus dem Publikum

„Kann ich Cannabis in Kehl bald wie eine Packung Zigaretten kaufen?“, wollte eine Frau aus dem Publikum wissen. Diese Frage konnte der Leiter des Zentrums für europäischen Verbraucherschutz (ZEV), Christian Tiriou, zwar verneinen, wie genau sich das geplante neue Gesetz jedoch auf die Grenzregionen auswirken wird, ist noch offen. Dass es, weil der Konsum von Cannabis in Frankreich ja verboten bleibt, dann womöglich wieder Grenzkontrollen geben werde, fürchtete ein Festbesucher. Michael Großer, deutscher Referent der INFOBEST Kehl-Strasbourg, versuchte zu beruhigen: Schwerpunktkontrollen der Bundespolizei, auch in Kooperation mit der französischen Grenzpolizei, gehörten zum Tagesgeschäft, dass die Cannabis-Legalisierung regelmäßige Kontrollen auslösen würde, sei dagegen nicht zu erwarten.
Wie sie ihr Kind auf der Europabrücke zum getrenntlebenden Vater auf der anderen Seite losschicken musste, berichtete eine Mutter immer noch mit Schaudern in der Stimme aus der Corona-Zeit, als die Grenze zwischen Kehl und Straßburg geschlossen war. „Das möchte ich nie, nie wieder erleben.“ Auch das Einkaufsverbot für Grenzpendler sei schlimm gewesen, erklärte sie. Die grenzüberschreitenden Einrichtungen hätten sich damals gegen diese Regelungen gewandt und sich für die Öffnung der Grenze eingesetzt, antworteten deren Leiter und die Generalsekretärin des Eurodistrikts Anika Klaffke: Doch auch – und gerade – während der Pandemie haben man erfahren müssen, dass Fortschritte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit selten schnell erreicht werden. „Wir werden alle dafür kämpfen, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, versicherte Georg Walter, Direktor des Euro-Instituts. Schließlich gehöre genau dies zum Tagesgeschäft der vier Einrichtungen, die Politik auf solche Probleme aufmerksam zu machen und dazu beizutragen, dass Lösungen gefunden werden.

Dass man mit dem 49-Euro- oder dem Baden-Württemberg-Ticket bis nach Straßburg fahren dürfe, wünschte sich eine Fragestellerin, letzteres sei schließlich auch bis Basel gültig. Für Anika Klaffke ein bekanntes Anliegen: Doch solange auf Bundes- und Landesebene keine Lösung gefunden ist, kann sie nur auf den Europass und den Europass Mini verweisen, der grenzüberschreitende Fahrten zwischen der Ortenau und der Eurométropole de Strasbourg mit dem gesamten öffentlichen Nahverkehr bereits seit vielen Jahren erlaubt.
So wie Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz auf dem Gebiet der Eurométropole und in Kehl die Tram mit einem kostenlosen Badgéo nutzen können, so hätte eine Bürgerin gerne, dass der Straßburger Kulturpass, der Jugendlichen eine hohe Ermäßigung auf Eintrittskarten für kulturelle Veranstaltungen einräumt, auch für Kehler zugänglich sei.

Er sei froh und dankbar darüber, dass Kehl der Sitz der grenzüberschreitenden Einrichtungen sei, sagte Oberbürgermeister Wolfram Britz in seinem Schlusswort, das gleichzeitig die Überleitung zum geselligen Teil von Kehl feiert bildete. "Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist immer auch ein bisschen Friedensarbeit" und diese sei heute wichtiger denn je, betonte er. Seinen Dank sprach er sowohl den Akteuren auf der Bühne aus, aber auch den Mitarbeitenden der grenzüberschreitenden Einrichtungen und der Kehl Marketing, die gemeinsam das Fest organisiert hatten.

Grenzenlose Begegnungen