Brief an Kanzler Merz

Wegen verschärfter Grenzkontrollen: Wolfram Britz und Jeanne Barseghian schreiben an Bundeskanzler Merz

Weil die seit dem 8. Mai verschärften Kontrollen an der Nahtstelle zwischen Straßburg und Kehl „ganz erhebliche Beeinträchtigungen für unseren gemeinsamen Lebensraum“ bedeuten, wenden sich der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz und seine Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian in einem Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz. Darin bitten sie ihn „dringend, die Verschärfung der Kontrollen am Grenzübergang Kehl wieder auf ein Maß zurückzunehmen, das einen über mehr als drei Jahrzehnte hinweg zusammengewachsenen deutsch-französischen Raum in seinem Alltagsleben nicht beeinträchtigt“.

Die Folgen der verstärkten Kontrollen zeigten sich bereits nach wenigen Tagen, heißt es in dem Brief: Nicht nur der Kehler Einzelhandel berichte von einem deutlichen Rückgang der Kundinnen und Kunden aus dem  Großraum Straßburg, die Unternehmen in Kehl und der Ortenau seien auf Fachkräfte aus Frankreich angewiesen: „Grenzkontrollen in dieser Form stellen einen Wettbewerbsnachteil dar.“ Außerdem lebten zahlreiche Familien auf beide Rheinseiten verteilt, für welche die Grenzkontrollen ebenfalls eine deutliche Erschwernis bedeuteten. Durch die Kontrollen komme es in auf der Tramlinie D, die vom Kehler Rathaus nicht nur über den Rhein, sondern durch die komplette Straßburger Innenstadt führe, zu erheblichen Verspätungen, die den Fahrplan auf französischem Staatsgebiet störten.

Nach ihrer gemeinsamen Erklärung zu den verschärften Grenzkontrollen am 8. Mai haben Jeanne Barseghian und Wolfram Britz jetzt an Bundeskanzler Friedrich Merz geschrieben.

In dem gemeinsamen Schreiben erläutern die beiden Stadtoberhäupter dem neuen Bundeskanzler die engen Verflechtungen von Straßburg und Kehl auf allen Ebenen: von mehreren Tausend Grenzpendlern, die auf der einen Rheinseite wohnen und auf der anderen arbeiten, bis hin zu mehreren Hundert Schülerinnen und Schüler, die ebenfalls täglich in die jeweilige Nachbarstadt pendeln. Nicht von ungefähr habe man 2024 in der grenzüberschreitenden Tram rund 3,8 Millionen Fahrten über den Rhein gezählt.

Jeanne Barseghian und Wolfram Britz erinnern außerdem daran, dass es die beiden Nationalstaaten waren, die Straßburg und Kehl vor etwa 35 Jahren aufgefordert haben, gemeinsame Infrastruktur und Synergien zu schaffen. Die beiden Städte seien dieser Verpflichtung nachgekommen – „wir wagen zu behaupten, wie kaum ein anderes Städtepaar in Deutschland und Frankreich“. Leuchtturmprojekte wie die Passerelle des deux Rives und der Garten der zwei Ufer, die grenzüberschreitende Tram oder auch die deutsch-französische Kinderkrippe und die geplante grenzübergreifende Nutzung der Abwärme der Badischen Stahlwerke würden von der EU-Kommission als Referenzen für die deutsch-französische Zusammenarbeit genannt. Der Ballungsraum Straßburg-Kehl gelte seit vielen Jahren als Labor Europas, „weil hier bei uns auf Alltagstauglichkeit getestet wird, was das EU-Parlament beschließt“.

Dass die Verschärfung der Grenzkontrollen ausgerechnet am 8. Mai, also dem Tag begann, an dem die beiden Städte mit einer gemeinsamen Veranstaltung den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs begangen haben, habe nicht nur bei ihnen Befremden ausgelöst, schreiben die beiden Stadtoberhäupter: „Wie wir in diesem Fall mehr Fingerspitzengefühlt erwartet hätten, so wünschen wir uns bei Maßnahmen, die in unseren grenzüberschreitenden Alltag eingreifen, dass unsere besondere Situation dabei berücksichtigt wird – wir stehen für Auskünfte jederzeit zur Verfügung.“ Sie laden Friedrich Merz zu einem persönlichen Austausch ein.