Wir leben Europa

„Wir leben Europa“ - das ist nicht nur ein Schriftzug auf zwei Tramzügen, die seit Mai 2017 täglich mindestens viermal pro Stunde den Rhein und damit die deutsch-französische Grenze überqueren, sondern in Kehl gelebter Alltag.
Mehr als 3000 Einwohnerinnen und Einwohner in Kehl haben einen französischen Pass, etwa 4000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Straßburg leben, fahren Tag für Tag über den Rhein, um zu ihrem Arbeitsplatz in Kehl zu gelangen. Mehrere Hundert Kinder und Jugendliche nutzen die Schullandschaft auf der jeweils anderen Rheinseite.

Gemeinsame Infrastruktur, wie die Passerelle des deux Rives, der Garten der zwei Ufer, die Trambrücke und die Tram sowie die deutsch-französische Kinderkrippe haben - mit vielen weiteren gemeinsamen Projekten und Kooperationen - Straßburg und Kehl zu einem rheinüberschreitenden Lebensraum zusammenwachsen lassen. Die Verflechtungen sind inzwischen so eng, dass dieser gemeinsame Lebensraum nur noch als Einheit funktioniert, also wenn die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Frankreich ohne Einschränkungen passierbar ist.

Zwischen Straßburg und Kehl gibt es seit Beginn der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre eine ungeschriebene Vereinbarung: Europäische Einrichtungen, wie das Europaparlament, der Europarat, ARTE oder das Eurokorps, haben ihren Sitz in Straßburg. Grenzüberschreitende Einrichtungen haben ihren Sitz in Kehl.

Labor Europas

Gemeinsames Ziel all dieser Einrichtungen ist es, den Menschen im rheinüberschreitenden Lebensraum ihren Alltag zu erleichtern. Kehl und Straßburg sind eine Art Labor Europas - hier werden die von der Europäischen Union erlassenen Regelungen dem Praxistest unterzogen.

1993 wurden mit der Grenzpendler-Beratungsstelle INFOBEST, dem Europäischen Zentrum für Verbraucherschutz und dem für die grenzüberscheitende Fortbildung von Verwaltungs- und Behördenmitarbeitenden zuständigen Euro-Institut die drei ersten grenzüberschreitenden Einrichtungen in der Kehler Rehfus-Villa angesiedelt.

Über die Jahre hat sich das Spektrum der grenzüberschreitenden Institutionen deutlich erweitert. Als jüngste Einrichtung konnte von Straßburg und Kehl gemeinsam erreicht werden, dass das Sekretariat des aus dem Aachener Vertrag hervorgegangenen grenzüberschreitenden Ausschusses in der Rehfus-Villa seinen Sitz bekam. Dass Straßburg und Kehl sich in Konkurrenz zu Städten wie Paris, Berlin und Saarbrücken durchsetzen konnten, zeigt welche Bedeutung der rheinüberschreitenden Zusammenarbeit auch in den Hauptstädten Deutschlands und Frankreichs beigemessen wird.
Jede der grenzüberschreitenden Einrichtungen hat ein klar umrissenes und von den anderen Institution abgegrenztes Aufgabenspektrum; Doppelstrukturen gibt es nicht.