30 Jahre GWA
Gemeinwesenarbeit seit 30 Jahren: Den "Geist des Miteinanders" erhalten
Vor 30 Jahren fasste der Ortenauer Kreistag einen Beschluss, der Kehl bis heute prägt: die Einführung der Gemeinwesenarbeit. Mit einer Feierstunde in der Villa RiWa betonten ehemalige und gegenwärtige Wegbereiter und Wegbegleiter am Samstag (28. Juni) die Wirksamkeit und Unverzichtbarkeit der sozialen Arbeit, insbesondere im Stadtteil Kreuzmatt. Für die kleinen Gäste gab es eine Hüpfburg, Kinderschminken, Henna-Tattoos sowie weitere Spiel- und Spaßangebote.
Als die Kreisrätinnen und Kreisräte am 21. Februar 1995 beschlossen, sowohl in Offenburg, in Lahr als auch in Kehl eine Gemeinwesenarbeit einzurichten, sprach eine Reihe von Gründen für diesen Schritt: Der Stadtteil Kreuzmatt war in den 1950er-Jahren als Wohnquartier für französische Streitkräfte erbaut worden. Nach deren Abzug war der Stadtteil geprägt von einer hohen Arbeitslosigkeit, viele Bewohnerinnen und Bewohner waren auf Sozialhilfen angewiesen. Wenige Monate nach dem Beschluss – am 25. April 1995 – unterzeichneten der damalige Landrat Günter Fehringer und der damalige Oberbürgermeister Kehls, Detlev Prößdorf, eine Kooperationsvereinbarung, in der der Schwerpunkt der Gemeinwesenarbeit auf Neubürgerinnen und Neubürger in den Stadtteilen Kreuzmatt und Kehl-Dorf gelegt wurde, die Hilfe bei der Integration benötigten. Die damals formulierten Aufgaben der Gemeinwesenarbeit erinnern dabei an ihre gegenwärtigen: Selbsthilfe und Selbstorganisation fördern, Hilfestellung bei der Integration geben, Teilhabe am Quartierleben ermöglichen und Kontakte in andere Bevölkerungsgruppen knüpfen. Bis ins Jahr 2007 geschah dies unter der Ägide des Landkreises. Seither ist die Gemeinwesenarbeit in Trägerschaft der Stadt.
Ein Musterbeispiel für soziale Balance
In einer Gesprächsrunde im Rahmen des Festakts zum 30-jährigen Bestehen der Gemeinwesenarbeit ließen Oberbürgermeister Wolfram Britz, die ehemalige Leiterin der GWA Kreuzmatt Claudia Mündel, Wohnbau-Geschäftsführer Juri Kern, die ehemalige städtische Mitarbeiterin Susanne Linnenberg, Katharina Becker (von 2013 bis 2016 als duale Studentin bei der GWA Kreuzmatt), Josef-Guggenmos-Schulleiter Detlef Kramer und die ehrenamtlich Engagierte Ghafora Ahmadi die vergangenen Jahre Revue passieren. Nachhaltig in Erinnerung geblieben waren dabei beispielsweise die umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten in und an der Villa RiWa. Das 1959 erbaute Gebäude diente zunächst französischen Offizieren als Wohnung. 1992 erwarb schließlich die städtische Wohnbau die Villa RiWa. Das Frauen- und Familienzentrum, das damals noch unter dem Namen Frauen- und Mütterzentrum firmierte, zog als erste soziale Einrichtung in das ausgediente Wohngebäude. Weitere, darunter die GWA, sollten folgen. 2010 wurde das Wohngebiet Kreuzmatt in das bundesweite Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ aufgenommen und im Mai 2015 begann mit dem offiziellen Spatenstich die Aufwertung des Stadtteils. Mehr als 25 Millionen Euro investierte die Stadt in das als Sanierungsgebiet ausgewiesene Quartier. Ein Meilenstein bildete dabei der Umbau der Villa RiWa für etwa 2,7 Millionen Euro. Mit der Sanierung, die im Juli 2015 begann, erhielten die in der Villa RiWa angesiedelten sozialen Einrichtungen mehr Platz. Außerdem wurden Fahrstühle installiert, die das Gebäude bis unters Dach barrierefrei werden ließen. Eine Einrichtung, die nach der Sanierung nicht mehr in der Villa RiWa bleiben konnte, war hingegen der Jugendtreff Kreuzmatt. Dieser musste das Kellergeschoss an der Richard-Wagner-Straße verlassen und ist nun an der Josef-Guggenmos-Grundschule zu finden. Aber nicht nur baulich hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel in der Kreuzmatt verändert. Inzwischen gilt der Stadtteil als Musterbeispiel sozialer Balance. Bei einer Bewohnerbefragung 2021 fanden die Gemeinwesenarbeiterinnen und -arbeiter heraus, dass der Zusammenhalt untereinander und die Identifikation mit dem Wohnort in der Kreuzmatt sehr ausgeprägt sind. „Das Zuhören und das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen sind eine Grundhaltung, von der wir in der Gesamtstadt lernen können“, lobte Oberbürgermeister Wolfram Britz den „Geist des Miteinanders“ im Stadtteil.
„Ganz viel richtig gemacht“
In einem kurzen Vortrag skizzierte Prof. Dr. Martin Becker von der Katholischen Hochschule in Freiburg die Entwicklung der Gemeinwesenarbeit von der Entstehung zur Jahrhundertwende bis zu den heutigen Herausforderungen. Demnach weist er der Gemeinwesenarbeit eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den einzelnen Interessensgruppen (darunter auch öffentliche Verwaltungen) zu, um das Auseinanderdriften der Gesellschaft zu stoppen. Der gesellschaftliche Auftrag der Gemeinwesenarbeit sei das Gestalten von Lebenswelten. Den Akteurinnen und Akteuren in Kehl attestierte er dabei, „ganz wenig falsch und ganz viel richtig gemacht zu haben“.