Mediatheksbesuch in Straßburg

Ausflug in die Straßburg Mediathek André Malraux

„Ui, ist die riesig!“ Die siebenjährige Olivia bringt es auf den Punkt. Gemeinsam mit ihrem Vater und ihren drei Geschwistern war sie Teil einer rund 20-köpfigen Gruppe, die vor einigen Wochen der Einladung der Kehler Mediatheksleiterin Sonja Kuhlmann zu einem ganz besonderen Ausflug gefolgt war. Ziel war die beeindruckende Mediathek André Malraux in Straßburg – ein architektonisches und kulturelles Juwel am Rande des Austerlitz-Beckens nahe der Place de l’Etoile. Mit über 250 000 Medien, 20 Kilometern Regallänge und einer Fläche von 11 8000 Quadratmetern ist sie nicht nur ein Paradies für Leseratten, sondern auch die größte Mediathek in ganz Ostfrankreich. Das Besondere: Auch Kehler Bürgerinnen und Bürger, die einen Leseausweis der Mediathek Kehl besitzen, können sich kostenlos eine sogenannte Carte Pass‘relle ausstellen lassen und das Angebot nutzen.

Eine Besuchergruppe lauscht Bibliothekar Philippe Kennel.
Zu Besuch in der größten Mediathek Ostfrankreichs: Mediatheksleiterin Sonja Kuhlmann mit einer 20-köpfigen Gruppe Lesebegeisterter aus Kehl. 

Begrüßt wurde die Gruppe vor dem imposanten Gebäude, einem ehemaligen Getreidespeicher aus den 1930er Jahren, von Philippe Kennel. Der Bibliothekar ist seit vielen Jahren in der Mediathek André Malraux tätig und kennt sie wie seine Westentasche. „Das Lagerhaus wurde im Jahr 2000 stillgelegt und in ein modernes Medienzentrum umgebaut, wobei die ursprüngliche Struktur erhalten blieb“, erklärt er zu Beginn des Rundgangs. Durch eine Glas-Stahl-Konstruktion wurde das Bauwerk erweitert, sodass es heute nicht nur funktional, sondern auch architektonisch ein echter Hingucker ist. 2008 wurde die Mediathek feierlich eröffnet – seither ist sie ein Ort für Kultur, Kreativität und Begegnung.

Fünf der sechs Etagen sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Erdgeschoss, wie auch in allen anderen Stockwerken, durchfluten riesige Fensterflächen das weitläufige Atrium mit Licht und moderne Möbel schaffen eine offene, einladende Atmosphäre. Philippe Kennel gibt Einblick in die Abläufe rund um Ausleihe, Rückgabe und Reservierung und verweist auf den stets aktuellen Zeitschriftenbereich. In der ersten Etage entdeckt die Gruppe den Bereich für Musik und Film sowie die Abteilung für Kinder- und Jugendliche. Olivia ist begeistert, taucht in die Bücherwelt ab und bleibt mit ihrer Familie erstmal hier, während die restliche Gruppe die nächsten Stockwerke erkundet.

In den oberen Etagen warten die Abteilungen für Sprachen und Literatur, Welt und Gesellschaft, Wissenschaft und Freizeit, Kunst, Comic und Illustration. Ein besonderer Schatz befindet sich im dritten Stock: die „Kulturerbe“-Abteilung mit seltenen, historischen Beständen, die hinter Glas aufbewahrt werden. Hier dreht sich alles um elsässische Geschichte und europäische Kultur. Auffällig ist die goldene Farbgebung des Fußbodens, die an mittelalterliche Kalligraphie erinnern soll – ein bewusster Kontrast zum industriellen Stil und der ansonsten rot-grauen Farbgebung der Mediathek. Ein weiterer Höhepunkt der Führung ist der Blick in den nicht öffentlich zugänglichen „Bunker“, einen besonders geschützten Bereich, in dem unter anderem eine wertvolle Gutenberg-Bibel aufbewahrt wird. Sie wird nur in Ausnahmefällen und zu wissenschaftlichen Zwecken zugänglich gemacht.

Beeindruckend ist auch das großzügige, offene Raumkonzept der Mediathek, die nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Lernen, Arbeiten und Innehalten einlädt. Rund 1000 Sitzplätze, 100 internetfähige Computer, ein Ausstellungs- und ein Konferenzraum sowie verschiedene Arbeitsbereiche für Einzelpersonen oder Lerngruppen stehen zur Verfügung. Ergänzt wird das Angebot unter anderem durch ein kleines Studio, einen Bereich mit vor Ort nutzbaren Gesellschaftsspielen, Möglichkeiten für Film- und Musikstreaming und einen Bereich für Videospiele, der täglich für eine Stunde genutzt werden kann. Klaus Mittenmüller, Teilnehmer der Kehler Gruppe, war kurz nach der Eröffnung vor 17 Jahren schon einmal hier: „Das Angebot hat sich seitdem immens vergrößert. Ich wünsche mir vor allem, dass Kinder die Möglichkeit bekommen, diesen Ort regelmäßig zu nutzen. Hier kann man sich zwischen Büchern zu Hause fühlen – und auch mal das Smartphone vergessen.“ Britta Metz, die bereits seit 40 Jahren in Kehl lebt, zeigt sich ebenfalls begeistert: „Man muss wohl öfters herkommen, um sich in diesem unfassbar vielfältigen Angebot zurechtzufinden.“

Nach zwei kurzweiligen Stunden geht es zurück zum Ausgang. Olivia wartet bereits – stolz hält sie eine DVD in der Hand, die sie heute mit nach Hause nehmen darf. Einige tun es ihr gleich und begeben sich mit ihren Fundstücken zu einem der Automaten, an denen selbständig Medien gebucht werden können. Dass das auch für die Teilnehmer der Kehler Gruppe möglich ist, liegt am Netzwerk Pass’relle, dem die Mediathek Kehl seit 2018 angehört. Wer in Kehl einen Leseausweis besitzt, kann sich kostenlos eine Carte Pass’relle ausstellen lassen – und damit gebührenfrei Medien in allen 33 Mediatheken der Eurométropole Straßburg ausleihen. Umgekehrt können Inhaber der Carte Pass’relle mit Wohnsitz in Frankreich einen Leseausweis der Kehler Mediathek erhalten. Dass die Carte Pass’relle mehr ist als eine simple Mediathekskarte, unterstreicht Christelle Pluciennik. Die Französin ist vor wenigen Jahren mit ihren drei Kindern von München nach Kehl gezogen: „Heute haben wir nicht nur eine ganz besonders tolle Mediathek kennengelernt, sondern auch die deutsch-französische Freundschaft gelebt.“

Hintergrund

Der Besuch in die Mediathek André Malraux fand als grenzüberschreitende Abschlussveranstaltung im Rahmen von Straßburg als UNESCO Welthauptstadt des Buches 2024 statt und wurde vom Eurodistrikt gefördert.
Die Mediathek auf der Straßburger Presqu’île André Malraux ist auch ohne Carte Pass´relle zugänglich und von Dienstag bis Sonntag geöffnet (Dienstag, Donnerstag und Freitag von 12 Uhr bis 19 Uhr, Mittwoch und Samstag von 9.30 Uhr bis 19 Uhr).