Wildgänse in Goldscheuer
Wildgänse an der Badestelle in Goldscheuer: Stadtjäger-Kandidat schlägt Umgestaltung der Liegewiesen vor
Allein in diesem Sommer musste die Badestelle in Goldscheuer zweimal kurzzeitig geschlossen werden, weil die Grenzwerte für Enterokokken im Wasser überschritten wurden. Der Grund dafür ist bekannt: Nil- und Kanadagänse zählen zu den regelmäßigen, gefiederten Badegästen, die das Gewässer am Badhiesel aufsuchen. Dabei verrichten die Wasservögel ihre Notdurft auch im Uferbereich. Zwar sammeln Mitarbeitende des Betriebshofs die Hinterlassenschaften der Tiere regelmäßig auf, trotzdem kam es 2025 zweimal zu Badeverboten. Daraufhin präsentierten die Ortsverwaltung und der städtische Betriebshof dem Ortschaftsrat bereits im Juli einen 15-Punkte-Plan für einen dauerhaften Badebetrieb. Ein Punkt darunter: die Beratung durch einen Stadtjäger. Zusammen mit dem Betriebshof, dem Wildtierbeauftragten des Landratsamtes, einem externen Stadtjäger und der Ortsverwaltung in Goldscheuer, wurde nun vor Ort geprüft, ob und wie sich die unerwünschten Tiere dauerhaft vertreiben lassen.
„Die Badestelle ist ein Paradies für Wildgänse“, stellt der Wildtierexperte und staatlich anerkannte Stadtjäger Siegfried Geisbauer mit Blick auf das Areal fest. Die Wasservögel fressen mit Vorliebe kurz geschnittenes Gras. Dabei vertilgen ausgewachsene Gänse bis zu einem Drittel ihres bis zu viereinhalb Kilogramm schweren Körpergewichts und scheiden bis zu 1,5 Kilogramm an Kot aus – und das täglich. Die Liegewiesen rund um die Badestelle bietet den Tieren eine ausgiebige Futterquelle. Außerdem ist das Areal für die Tiere gut einsehbar. Fressfeinde wie Fuchs, Marder oder des Nachts auch der Dachs haben es schwer, sich unbemerkt an die Wildgänse anzuschleichen. Das gibt den Vögeln ein Gefühl von Sicherheit. Hinzu kommt, dass insbesondere die eingewanderten Nilgänse als aggressiv gelten und unter anderem Stockenten attackieren oder Klapperstörchen die Nistplätze streitig machen.
Um den Wildgänsen den Zugang zum Wasser zu erschweren, hat der Betriebshof die Badestelle entlang des Sandbereichs eingezäunt. Aber: „Gänse sind klug und finden ihren Weg“, gibt Siegfried Geisbauer zu bedenken. Seit drei Jahren ist er staatlich anerkannter Stadtjäger und in dieser Rolle unter anderem in Achern tätig. Der Gemeinderat hatte am 7. Mai beschlossen, Stadtjäger auch in Kehl einzusetzen. Siegfried Geisbauer hat hierfür seinen Hut in den Ring geworfen, eine Entscheidung ist aber frühestens im September zu erwarten. In Goldscheuer steht er der Stadt und der Ortsverwaltung schlicht als externer Berater zur Seite.
„Danach haben Sie zu 99 Prozent Ruhe“
Mit dem Maßnahmenbündel, das der Wildtierexperte vorschlägt, ließen sich die unerwünschten Wasservögel dauerhaft, nachhaltig und tiergerecht vertreiben. „Danach haben Sie zu 99 Prozent Ruhe“, verspricht er. Allerdings würde die von ihm vorgeschlagene Vergrämung eine Umgestaltung der umliegenden Liegewiese bedeuten. Der Grund: Ein Kernaspekt seiner Strategie ist das Sicherheitsgefühl der Tiere. Dieses gilt es den Wildgänsen zu nehmen. Die Gänse haben eine Fluchtdistanz von zehn bis 15 Metern, erläutert er. Das ist der Abstand, den die Wasservögel zu Gefahrenquellen akzeptieren, ohne zu flüchten. Siegfried Geisbauer empfiehlt daher, Wildblumenwiesen in Teilen der Liegewiese einzusäen und dafür zu sorgen, dass die Wildgänse über eine Distanz von mehr als zehn bis 15 Metern keine freie Sicht haben. Ein weiterer Aspekt seiner Vergrämungsstrategie betrifft den Gänsenachwuchs. Der Ortsvorsteher von Goldscheuer, Heinz Rith, geht davon aus, dass derzeit bis zu 25 Tiere an der Badestelle leben. Siegfried Geisbauer vermutet daher, dass sich in der Nähe zwei Gelege finden lassen. Das sei am einfachsten, wenn die Wasservögel Ende April oder Anfang Mai einfliegen. Sind die Nester gefunden, empfiehlt Siegfried Geisbauer, den Gänsen und ihren Gösseln (Küken) den Zugang zu den Wiesen und der Badestelle mit einem kniehohen, engmaschigen Zaun zu versperren, über den die Nestflüchter nicht klettern können. Das rege die Tiere dazu an, sich neue Brutplätze zu suchen. Und schließlich rät er, in der Nähe eine Ausgleichsfläche mit kurzgeschnittenem Gras und Wasserzugang für die Tiere zu schaffen. Die Stelle will strategisch klug gewählt sein, damit der unvermeidliche Eintrag der Gänse ins Wasser nicht zu einem neuerlichen Badeverbot führt. „Wenn man das richtig macht, hat man innerhalb eines Jahres Ruhe“, beteuert Siegfried Geisbauer. Auf Grundlage dieses Maßnahmenbündels erarbeitet der städtische Betriebshof nun ein Konzept, wie eine Umgestaltung der Liegewiese an der Badestelle aussehen könnte. Dieses Konzept soll anschließend in einer Sitzung des Ortschaftsrats in Goldscheuer vorgestellt werden. „Uns geht es um Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit“, betont Heinz Rith. „Wir wollen, dass die Badestelle wieder in der Breite der Bevölkerung angenommen wird.“
Was ist eigentlich ein Stadtjäger?
Die Landesregierung hat im Juni 2020 das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz novelliert. In diesem Zusammenhang wurde den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, in Siedlungsgebieten (sogenannte befriedete Gebiete) Stadtjägerinnen und Stadtjäger einzusetzen. Deren Aufgabe ist es, Kommunen, Unternehmen sowie Einwohnerinnen und Einwohnern als Ansprechpartner zu dienen, wenn diese Probleme mit Wildtieren wie beispielsweise Mardern, Füchsen oder aber auch invasiven Gänsearten wie den Nilgänsen haben. „Die Hauptfunktion ist zu beraten“, betont Siegfried Geisbauer. Um als Stadtjägerin oder Stadtjäger eingesetzt werden zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es müssen ein gültiger Jagdschein und eine entsprechende Ausbildung vorliegen. Bevor eine Kommune eine Stadtjägerin oder einen Stadtjäger einsetzen kann, müssen die örtlichen Jäger und Jagdpächter angehört werden. So sieht es der Gesetzgeber vor. In absoluten Ausnahmesituationen (soweit es die gesetzlichen Möglichkeiten zulassen) oder in Notfällen darf eine Stadtjägerin oder ein Stadtjäger auch Fallen aufstellen oder Wildtiere in Siedlungsgebieten entnehmen, wie es im Jagdjargon heißt. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Prävention und Vergrämung.