Sicherheitsspaziergang

Nächtlicher Sicherheitsspaziergang: Mediterrane Atmosphäre und freundliche Menschen

Zu ungewöhnlicher Stunde haben sich am Freitagabend zwei Gruppen aufgemacht, um das Kehler Nachtleben zu erkunden. Bestehend aus: Stadträtinnen und Stadträten, Vertretern der Polizei, Oberbürgermeister Wolfram Britz, Beigeordnetem Thomas Wuttke sowie Mitarbeitenden der Stadtverwaltung. Während die einen zu Fuß und die anderen mit dem Fahrrad unterwegs waren, einte sie ein Ziel: durch eigene Beobachtung und gezielte Befragung von Passanten zu erkunden, wie es um das Wohlbefinden bestellt ist, wenn in der Kernstadt und Sundheim die Nacht hereinbricht. Das Ergebnis: für die meisten Teilnehmenden überraschend.

Überraschend positiv: Obwohl der Tag ungewöhnlich heiß war, sind die Menschen entspannt und genießen den Abend im Freien, als sich die beiden Gruppen kurz vor 21 Uhr auf ihre getrennten Routen begeben. Im Garten der zwei Ufer sprechen die Radfahrer mit einer Großfamilie, die gerade ihr Picknick auf der Wiese beendet hat und sich auf den Heimweg macht, und mit der Mutter eines kleinen Mädchens, die gemeinsam den Uferweg entlang spaziert sind. Die Fußgänger treffen auf dem Marktplatz auf ein Paar, das aus Rheinau kommt und dem die Preise beim Streetfood-Festival zu hoch erscheinen. Im Dunkeln, geben sie zu Protokoll, wollten sie nicht allein zum Läger-Parkplatz zurückkehren.

Im Garten der zwei Ufer befragt die Radfahrergruppe Personen, die sich dort aufhalten nach ihren Eindrücken und Verbesserungsvorschlägen.

Auf dem Bahnhofsvorplatz sprechen sie einen Mann aus dem Ruhrgebiet an, der sich darüber freut, dass im vergleichsweise kleinen Kehl so viel los ist, deutlich mehr als in seiner Heimatstadt mit 70 000 Einwohnern, erklärt er. Zwei Touristinnen aus der Nähe von Frankfurt, die in Straßburg im Hotel übernachten, sind zu Fuß über den Rhein gekommen, weil ihnen Kehl empfohlen wurde. Sie sind begeistert vom Garten der zwei Ufer, wo dezent die Musik der Symphonie des Arts von Straßburg herüberschallt. Ein Hamburger, der seit sieben Jahren in Kehl lebt, fühlt sich wohl in der Stadt, wie er sagt.

Die Lokale, nicht nur auf dem Marktplatz, sind gut gefüllt – vom Hafen 17 bis zur Rheinschneck gibt es kaum noch freie Plätze. Dennoch sind einige der Gastronomen in Sorge: Die Grenzkontrollen wirken sich bei ihnen in Umsatzrückgängen von 30 bis 70 Prozent aus.  An mehreren Orten spielt Musik, aber Lärmbelästigung fällt nicht auf. Die Atmosphäre ist schön, mediterran sogar, konstatieren einige Teilnehmende am Sicherheitsrundgang. Einer aus der Spaziergängergruppe geht noch weiter: „Das war eine Werbetour für Kehl“, sagt er, als sich alle gegen 23 Uhr im Rathaus zu einer Zwischenbilanz treffen.

Ein Gast im Hafen 17 habe sich unsicher gefühlt, berichtet Thomas Wuttke, und habe dies mit dem gewaltigen Aufgebot von bewaffneten Polizisten in der Stadt begründet. Eine Gruppe Jugendlicher im Rosengarten wünscht sich mehr Grün in der Stadt und ärgert sich über den Müll, den unvernünftige Zeitgenossen einfach fallen- oder liegenlassen. Ein Mann mittleren Alters wird später ermahnt, seine Musik etwas leiser zu stellen. Fünf Jungs, die am Work-out-Platz trainieren, antworten ebenfalls bereitwillig auf die Fragen: Mit den Geräten sind sie sehr zufrieden, nutzen sie zwei oder gar dreimal pro Woche. Welche Verbesserungen sie sich wünschen? Dass das Licht am roten Platz nicht schon um 22 Uhr ausgeht. Wie lange es brennen sollte? Bis ein Uhr, meint einer der Jugendlichen, die anderen finden, Mitternacht wäre auch okay. Fühlen sie sich unsicher, wenn sie zwischen 22 und 23 Uhr dann jeder für sich nach Hause radeln oder gehen? Die Frage überrascht sie: „Nein, dann sind die Straßen in Kehl doch fast leer.“

Am Piratenspielplatz in der Kreuzmatt begeben sich zwei junge Mädchen gerade auf den Nachhauseweg. Ob sie sich im Dunkeln hier sicher fühlen? „Auf jeden Fall.“ Sie wohne seit zehn Jahren in der Kreuzmatt und es gefalle ihr hier sehr gut, sagt eine der beiden. „Ich wollte nirgendwo anders leben.“ Störend finden die beiden „die Betrunkenen beim REWE“. Wenn sie dort abends noch einkauften, komme es vor, dass sie auf unschöne Weise angesprochen würden; es sei ihnen auch schon jemand nachgegangen, erzählen sie. Um den Jugendtreff in der Kreuzmatt herum ist es komplett ruhig. Das Gleiche gilt für den Schulcampus. Seit der Bereich durch Kameras überwacht wird, sei hier nicht mehr viel los, heißt es. Auf dem roten Platz sitzen drei Jungs im Dunkeln auf dem Boden; ein Gespräch wollen sie nicht führen.

Vertreterinnen und Vertreter des Gemeinderats nehmen in beiden Gruppen am nächtlichen Sicherheitsspaziergang teil.

Ein paar Orte in der Innenstadt empfinden die Teilnehmenden am Sicherheitsspaziergang als unschön bis leicht verwahrlost. Den Zustand des Rosengartens bemängeln einige. Das sei doch schade, gerade jetzt, wo die schönen Holzterrassen genutzt werden können. Das Gleisbett der Tram sehe ungepflegt aus mit dem hohen Gras und an einigen Glascontainern liegt – einmal mehr – Müll, der dort nichts zu suchen hat.

Im Abschnitt der Hauptstraße zwischen Rathaus und Hanauer Museum ist die Außengastronomie gut frequentiert. Zwar sind an diesem Abend keine Autos in zweiter Reihe abgestellt, doch stehen gleich mehrere Fahrzeuge im absoluten Halteverbot. Ihre Kennzeichen werden von der Leiterin des Bereichs Verkehrswesens, Lisa Unterhaslberger, aufgenommen. Seit den Grenzkontrollen, berichtet Patrick Schote, Leiter des Polizeireviers, treffe man hier weniger Falschparker an. Die allerdings gibt es in anderen Bereichen in der Innenstadt weiterhin. Ob in der Kinzig-, der Markt- oder der Großherzog-Friedrich-Straße, die Kennzeichen werden registriert.

In der Fußgängerzone ermahnt die Leiterin des Bereichs Sicherheit und öffentliche Ordnung drei E-Scooter-Fahrer, weil das Fahren mit den Rollern hier grundsätzlich verboten ist. Kurz vor dem Ende des Stadtspaziergangs begegnet der Fußgängergruppe einer Frau mit einem Vierbeiner, der stark einem Kampfhund ähnelt. Julia Winkler spricht die Besitzerin an. Es stellt sich heraus, dass der Hund nicht angemeldet ist und es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Listenhundmischling handelt. Die Sache wird nun vom Bereich Ordnungswesen geklärt.

Nach Mitternacht stattet die Spaziergängergruppe einer Diskothek und zwei Nachtclubs einen  Besuch ab.

Etwa 300 junge Leute kommen mit den letzten beiden Tramzügen um Mitternacht herum aus Straßburg an; ihr Ziel ist der Gold Club. Vor der Diskothek ist es ruhig, abgesehen von ein paar Fahrzeugen, deren Fahrer zu schnell unterwegs sein dürften. Vor den benachbarten Nachtclubs sind ebenfalls keine Menschen auf der Straße; die Zahl der Gäste ist überschaubar. Im Garten der zwei Ufer treffen die Radfahrer noch zwei Gruppen von fünf bis sieben Personen an; jetzt zeigt sich, dass die Beleuchtung entlang des Uferweges teilweise defekt ist. Am Wasserband fehlt die Beleuchtung, nachts sind Wege und Wasserflächen nicht so gut zu unterscheiden.
In der Nähe der Johanneskirche sind nach Mitternacht zwei Frauen mit ihren im Kinderwagen schlafenden Kindern unterwegs. Sie fühlen sich sicher, sie treffen dort noch auf Passanten. Vor dem Schulzentrum stehen wenige Autos auf dem Parkplatz, es ist ruhig. Wie auch an der Villa RiWa, wo sich drei Personen in gemäßigter Lautstärke unterhalten. Beim REWE haben sich die Stühle an den Tischen geleert – nur der Müll ist dort zurückgeblieben. In Gasträumen der Schnellrestaurants entlang der Hauptstraße herrscht noch reger Betrieb. Die Außengastronomie ist geschlossen.

Info

Die Teilnehmenden am nächtlichen Sicherheitsspaziergang haben über die Gespräche, die sie in den fünfeinhalb Stunden geführt haben, Protokoll geführt und ihre eigenen Eindrücke an den unterschiedlichen Orten zur jeweiligen Uhrzeit schriftlich festgehalten. Die Erhebungsbögen wird die Verwaltung nun auswerten. Das Ergebnis soll nach der Sommerpause im Gemeinderat vorgestellt werden.