Hauptuntersuchung am Weißtannenturm

Zwei Tage auf Herz und Holz geprüft: Hauptuntersuchung am Weißtannenturm

Per Hubsteiger wird der Weißtannenturm auch in luftiger Höhe umfassend inspiziert.

Drei präzise Schläge und das Messgerät sitzt: Prüfingenieur Ireneusz Bejtka des Karlsruher Büros BE Ingenieure beginnt mit der Hauptuntersuchung des Weißtannenturms. Das Gerät sieht fast aus wie ein Bratenthermometer, misst aber den Feuchtigkeitsgehalt im Holz. „Neunzehn Prozent“, murmelt der Ingenieur, nickt zufrieden und trägt den Wert in seine Papiere ein. „Grundsätzlich gilt: Wenn Wasser eindringt und die Holzbauteile wieder austrocknen können, ist das kein Problem. Aber an Stellen, wo das Wasser nicht entweichen kann, fault das Holz wie ein Zahn.“ Auch solche kritischen Punkte sucht der Ingenieur mit seinen beiden Kollegen zwei Tage lang, vom Boden bis zur Spitze des markanten Aussichtsturms mit einer Höhe von 44 Metern, der seit 2003 über dem ehemaligen Landesgartenschaugelände am Altrhein thront. Dafür blieb der Turm für die Öffentlichkeit am Dienstag und Mittwoch (7. und 8. Oktober) gesperrt.

Normalerweise herrscht hier ein stetes Kommen und Gehen. Kinderfüße poltern die 210 Treppenstufen hoch, Jogger binden sie in ihr Trainingsprogramm ein und Kameras klicken auf den beiden Aussichtsplattformen des Weißtannenturms. An diesem Dienstagmorgen ist alles anders, Besucher müssen unten bleiben. Stattdessen sind Nico Galler, städtischer Mitarbeiter des Gebäudemanagments, Prüfingenieur Ireneusz Bejtka mit zwei Mitarbeitern und ein gelber Hubsteiger vor Ort. Denn es ist Zeit für den großen Gesundheitscheck. Alle sechs Jahre steht die Hauptuntersuchung an, eine gesetzlich vorgeschriebene, tiefgehende Prüfung, bei der nichts dem Zufall überlassen wird. Sie ist weit mehr als die jährliche Sichtprüfung, bei der vor allem nach offensichtlichen Schäden geschaut wird. Bei der Hauptuntersuchung geht es ans Eingemachte – an Statik, Verbindungen und Materialzustand.

„Die Hauptuntersuchung ist quasi der TÜV für den Weißtannenturm“, erklärt Nico Galler, der die Arbeiten koordiniert. „Wir schauen uns den Turm nicht nur von außen an, sondern analysieren alle Teile ganz genau. Insbesondere natürlich die drei großen, tragenden Rundhölzer und die drei Fußpunkte. Bei einem Stamm wurde zusätzlich der Anschluss an die Bodenplatte geprüft.“ Dafür wurde die Bodenplatte vor der eigentlichen Untersuchung großflächig freigelegt. Mit Hilfe eines Bohrwiderstandsmessgerät, dessen dünne Nadel sich langsam ins Holz bohrt, werden die dicken Stämme untersucht. „So können wir praktisch ins Innere des Stamms schauen, ohne ihn zu beschädigen“, erklärt Ireneusz Bejtka. Jede Veränderung im Widerstand wird auf diese Weise aufgezeichnet und offenbart einen präzisen Blick in das unsichtbare Innenleben des Bauwerks.

Während am Boden die tragenden Stämme untersucht werden, bringt der Hubsteiger einen Prüfingenieur bis fast ganz hinauf, auf über 40 Meter Höhe. Denn auch hier, wo der Wind mit seinen Kräften wirkt, muss das Holz in einwandfreiem Zustand sein. Auch jede Verbindung zwischen Stahl und Holz wird hier oben unter die Lupe genommen. „Besonders die Übergänge zwischen Holz und Stahl sind empfindlich“, sagt Nico Galler. „Hier kann sich Feuchtigkeit sammeln – und das ist der Feind jedes Holzturms.“

Zwei Tage lang wird am Weißtannenturm gebohrt, gemessen, geklopft und notiert. Jede Beobachtung landet im Prüfprotokoll. Nach rund vier Wochen liegt dann der vollständige Bericht vor, mit Messergebnissen, Bewertungen und möglichen Empfehlungen. „Wenn Mängel festgestellt werden, handeln wir sofort“, betont Nico Galler. „Kleinere Schäden können wir selbst beheben, größere übergeben wir an Fachfirmen.“

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2004 ist der Weißtannenturm ein Wahrzeichen Kehls und der Region. Er trotzt Wind und Wetter, hat vor 17 Jahren einen Brandanschlag überstanden und zieht jährlich Tausende Besucher an. Damit das so bleibt, wird er regelmäßig begutachtet: Neben der jährlichen Sichtprüfung erfolgt alle zwei Jahre eine Blitzschutzprüfung, alle vier Jahre wird die Beleuchtung kontrolliert. Die vorgeschriebene große Hauptuntersuchung untersucht den Weißtannenturm im Sechsjahresrhythmus bis ins Mark.

2021 wurden kleinere Mängel entdeckt und behoben, zwei Jahre später erfolgte eine größere Instandsetzung. Im Jahr darauf verlief die Kontrolle unauffällig. Nun stand die entscheidende Hauptuntersuchung an, die das Fundament für die Sicherheit der nächsten Jahre bildet. Wenn alles gut geht, und damit rechnet Nico Galler, bekommt der Weißtannenturm dann grünes Licht für die nächsten Jahre.

Hintergrund

Seit September 2003 erhebt sich der imposante Weißtannenturm mit einer Höhe von 44 Metern und einem Gewicht von 70 Tonnen am südlichen Altrhein. Von der Werkgruppe Lahr entworfen, basiert seine Statik auf den Berechnungen von Peter Lenz aus Emmendingen und Andreas Wirth aus Freiburg. Das Fundament des Turms bilden drei mächtige Weißtannenstämme aus dem Nordracher Forst, gestiftet von der Landesforstverwaltung und dem Weißtannen-Forum. Diese Stämme formen ein gleichschenkliges Dreieck, das durch ein filigranes Stahlnetz stabilisiert wird. Zwischen den tragenden Elementen stehen schlanke Stämme, die einen Ausschnitt aus einem Wald symbolisieren. Zwei Aussichtsplattformen in 30 und 35 Metern Höhe laden Besucher zu einem Rundblick in alle Himmelsrichtungen ein. Erreichbar sind sie über eine Treppe mit 210 Stufen, deren Finanzierung durch Spenden auf Initiative der Weißtannenturm Stiftung erfolgte. Für 200 Euro konnte man die Patenschaft für eine Blockstufe übernehmen und so den Bau aktiv unterstützen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 300 000 Euro. Davon übernahm der Ortenaukreis 130 000 Euro, weitere 85 000 Euro steuerte die Landesgartenschau Kehl 2004 GmbH bei. Darüber hinaus beteiligten sich Unternehmen, die an Planung und Bau beteiligt waren, indem sie Leistungen und Materialien teilweise kostenlos zur Verfügung stellten. Mit der Eröffnung der Landesgartenschau wurde der Weißtannenturm im April 2004 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.