Unternehmerforum

300 Jahre Kehler Wirtschaftsgeschichte: Gemeinsames Unternehmerforum von Hafen und Sparkasse

125 Jahre Kehler Hafen, 175 Jahre Sparkasse Hanauerland: 300 Jahre Kehler Wirtschaftsgeschichte bildeten auf Einladung von Oberbürgermeister Wolfram Britz und der Wirtschaftsförderung den Anlass für ein Unternehmerforum auf dem Schiff „Karlsruhe“. Während der gut zweistündigen Hafenrundfahrt redete Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der Landesband Baden-Württemberg, Klartext: „Unsere Generation hat die Friedensdividende verfrühstückt.“

Die Rundfahrt mit der "Karlsruhe" beim gemeinsamen Unternehmerforum von Hafen, Sparkasse und Wirtschaftsförderung führt auch am Schrottverladeplatz der Badischen Stahlwerke vorbei.

In den vergangenen 25 Jahren habe man die Infrastruktur in Deutschland verfallen lassen und auch in Zeiten von Überschüssen die notwendige Billion Euro nicht investiert. Die Schulden aus dem Sondervermögen, die Kosten für die marode Infrastruktur und den Klimawandel „soll nun die nächste Generation bezahlen“, führte er aus. Zwar sei auch er ein Befürworter der Reform der Schuldenbremse gewesen, allerdings in Form einer Verschuldung für Investitionen – nicht für Konsum. Rüstungsausgaben seien aber Konsum: „Davon bleibt nichts, wovon man die Schulden bezahlen könnte.“

Die von der schwarz-roten Regierung angestrebten Verteidigungsausgaben seien ebenso wenig realistisch wie die Ziele im Bereich des Bauens, kritisierte der Volkswirt. Der Bauwirtschaft fehlten die Fachkräfte und Besserung sei nicht in Sicht: 2024 hätten erstmals mehr Menschen die EU verlassen, als eingewandert seien. Arbeitskräfte gingen in ihre Heimat zurück – beispielsweise nach Polen –, weil es dort ganz gut laufe und die Willkommenskultur bei uns zu wünschen übriglasse.

Oberbürgermeister Wolfram Britz (links), Wolfgang Huber, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hanauerland (Mitte) und Hafendirektor Volker Molz führten gemeinsam durch den Abend.

Dennoch sieht Moritz Kraemer, der die aus 15 ausgewählten Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft bestehende internationale Expertengruppe leitet, die den Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung in Entwicklungsländern und der Finanzierung der notwendigen Investitionen für Klima- und Naturschutz untersucht, Deutschland nicht gezwungenermaßen auf der Verliererseite. Allerdings müsse man den Strukturwandel akzeptieren und nicht glauben, „dass man sich in die Vergangenheit zurückkatapultieren kann“.  Deutschland sei zwar der Weltmeister des 20. Jahrhunderts gewesen, heute sei man jedoch 25 Jahre weiter, sagte der Chefvolkswirt der Landesbank und appellierte an Bundesregierung gleichermaßen wie an die Anwesenden, die Nostalgie zu überwinden und sich, anstatt „die Vergangenheit zu umarmen“, den Technologien der Zukunft zuzuwenden. Überzeugt von der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft zeigte sich Dr. Moritz Kraemer zuversichtlich, dass es die Ingenieure in der Klimatechnik genauso weit bringen können, wie im Bau von Autos mit Verbrennungsmotor.

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg redete Klartext und forderte dazu auf, sich neuen Technologien zuzuwenden anstatt "die Vergangenheit zu umarmen". 

Oberbürgermeister Wolfram Britz zog Parallelen zum städtischen Haushalt: Auch in Kehl sei in den Friedensjahren bestehende Infrastruktur nicht gut genug saniert worden. Die Stadt könne zwar noch investieren, weniger gut klappe es jedoch mit der Deckung der laufenden Ausgaben. Die großen Unternehmen im Hafen seien für die Stadt ein Glücksfall, „wenn es der Kehler Wirtschaft gut geht, geht es auch der Stadtgesellschaft gut“.
Für Wirtschaftsförderer Christoph Hodapp war es das erste große Unternehmerforum, zu dem er gemeinsam mit OB Britz eingeladen hat. Der Messdi sei „gigantisch“ gewesen, aber nur, weil alle mitgeholfen und die Unternehmen sich beteiligt hätten. Ohne das Sponsoring der Firmen wäre der Messdi nicht zu stemmen, machte er deutlich. Zugleich habe das größte Volksfest der Ortenau mit seinen 195 000 Besucherinnen und Besuchern auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung: Wenn jede und jeder nur 20 Euro ausgebe, flössen bei konservativer Rechnung rund vier Millionen Euro an die Beteiligten, also Handel, Gastronomie und Vereine.
„Ganz nah dran“ sei man, den größten Co-Working-Anbieter nach Kehl zu holen, konnte er den Unternehmerinnen und Unternehmern sowie den Stadträtinnen und Stadträten berichten – dieser betreibe in Straßburg bereits drei solcher Center. Oberbürgermeister Wolfram Britz stellte in Aussicht, dass ein weiterer Wunsch von Kehler Unternehmenseignern erfüllt werden könnte: „Die Stadt hat ein Grundstück ausgedeutet, auf dem ein Gebäude mit einer Betriebskita und Mitarbeiterwohnungen errichtet werden könnte. „Wir können jetzt Nachfrage und Angebot zusammenbringen“, ermunterte Christoph Hodapp die Unternehmerinnen und Unternehmer, ihren Bedarf zu artikulieren. Erste Anfragen lägen bereits vor.

Weil es schwierig wäre, die Sicherheit von Tausenden Besucherinnen und Besuchern im Industriegebiet zu gewährleisten, feiert der Hafen sein 125. Jubiläum nicht mit einem großen Volksfest – wie beim hundertjährigen Bestehen, erklärte Hafendirektor Volker Molz, warum zum Unternehmerforum auf der „Karlsruhe“ eingeladen wurde. Das sei eine der Veranstaltungen aus einem ganzen Reigen. In der Innenstadt habe sich der Hafen mit der Hafenbühne beim Messdi präsentiert und sei dort mit der Ausstellung „Kehler Berge“ von Künstlerin Gabriele Engelhardt noch bis zum 6. Januar vertreten.

Volker Molz ging kurz auf die Transformation im Hafen ein: Nachdem man 2024 nach 124 Jahren den Umschlag von Kohle eingestellt hat, werden im Kehler Hafen seit Mitte Mai in Zusammenarbeit mit der Firma MSG Krandienst Windkraftanlagen umgeschlagen. 20 Anlagen sind bereits übers Wasser in Richtung ihres Bestimmungsorts transportiert worden; 30 sollen es künftig jährlich sein. Die Abnehmer fänden sich nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Bayern und Frankreich, erläuterte er beispielhaft, wie der Hafen sich zukunftsfähig aufstellt.

Ähnlich wie der Hafen hält es auch die Sparkasse, wie Vorstandsvorsitzender Wolfgang Huber berichtete: Zum 175. Jubiläum werde es mehrere Veranstaltungen geben – eine davon war das Unternehmerforum. Oberbürgermeister Wolfram Britz gefiel die Idee von der gemeinsamen Veranstaltung: „Wir sind auf einem richtig guten Weg, wenn alle sich beteiligen, das Gemeinsame in den Vordergrund stellen – und nicht das Trennende.“